Nachbearbeitung – ja oder nein? Das Bild wie es auf der Speicherkarte der Kamera landet ist eine Sache, wie es dann im Netz steht oder zum Druck geschickt wird, ist eine andere. Oder nicht? Sagen doch selbsternannte Puristen, dass man das Foto „wie zu Filmzeiten“ direkt aus der Kamera verwenden soll, sonst wäre man kein „richtiger“ Fotograf. Darüber kann man streiten, man muss es aber nicht.
Für mich ist es nicht das Ziel, als „richtiger“ Fotograf bezeichnet zu werden. Das wichtigste ist für mich die Interaktion mit meinem Modell, und das zweitwichtigste ein Foto, hinter dem wir beide stehen können. Es ist auch nicht mein Ziel, mit hochscharfen Bildern hochauflösender Kameras die Aufmerksamkeit auf Details zu lenken, die bei einer realen Begegnung niemandem auffallen würden. Das Portrait ist ein Kunstwerk, und die Kamera mit ihrem Objektiv und ihrem Sensor ist nur ein Werkzeug, um zu diesem Kunstwerk zu gelangen. Ich drücke auf den Auslöser, um das rohe Bild zu machen, aber die wichtigsten Schritte zum Bild sind schon davor passiert, und wenn die nicht gelungen sind, macht weder der Einsatz von noch der Verzicht auf Photoshop einen wesentlichen Unterschied. Ich will das einfach mal in die richtige Perspektive stellen. Nachbearbeitung oder nicht ist keine Frage des Seelenheils, und jeder soll das für sich halten, wie er es für richtig hält.
Heute herrschen zum Glück wunderbar demokratische Zeiten für Fotografen. Konnten sich früher nur gutbezahlte Profis wie Helmut Newton einen persönlichen Bildbearbeiter leisten, so ist heute jeder in der Lage, mit entsprechenden Programmen alles von korrigierter Belichtung bis zur High-End-Retusche für Titelbilder von Hochglanzmagazinen auf dem heimischen Schreibtisch durchzuführen. Natürlich braucht das Übung und Recherche, aber Dank YouTube ist hier eine solide Grundausbildung zu bekommen, für die man außer der eigenen Zeit nichts investieren muss.
Was mache also im Speziellen ich, wenn ich ein Bild bearbeite? Wie oben schon gesagt, die Kamera erstellt ein Rohbild mit allen Daten, die ihr Sensor aufgezeichnet hat. Und außerdem baut sie ein Foto zum Anschauen, das kann man dann auch direkt verwenden für Facebook oder ein Album. Ist ein bisschen wie kochen mit Fertigmischungen. Passt schon irgendwie, aber geht besser. Je nachdem, wie die Kamera eingestellt ist, wirft sie das Rohbild gleich weg, dann hat man nicht mehr so viele Möglichkeiten, selbst an dem Ergebnis zu arbeiten. Ich lasse sie natürlich das Rohbild aufheben. Ich will ja, dass meine Bilder nicht nur „irgendwie“ passen.
An dem Rohbild kann man schnell so ein paar Grundkorrekturen vornehmen, etwa wenn die Belichtung nicht ganz stimmt, die Farben etwas zu kühl oder zu warm sind, oder man mit der Detailschärfe nicht zufrieden ist. (Ich drehe letztere oft ein bisschen runter. Früher hat man dafür z.B. spezielle Portraitfilme verwendet.) Das wird in einem Programm für Rohbildbearbeitung gemacht, ich benutze dafür Lightroom, und natürlich gibt es da noch andere.
Danach geht es dann weiter mit Photoshop. Photoshop ist ein immens mächtiges Werkzeug, und wer will kann damit das ursprüngliche Foto so verändern, dass kein Bildpunkt neben dem anderen bleibt. Für mich sind normalerweise aber eher die subtilen Möglichkeiten des Programms interessant. Ich versuche nicht, aus einer Fünfzigjährigen eine Zwanzigjährige zu machen. Denn viel von dem, was eine Fünfzigjährige interessant macht, bliebe dabei auf der Strecke. Aber ich mache schon eine Retusche. Dabei versuche ich, wie ein Maler zu denken: Alles, was ich – würde ich denn malen können – in ein Gemälde aufnehmen würde, bleibt drin, und ich passe es so an, dass es wirkt, wie ich es haben will. Alles andere kann weg, zum Beispiel der leuchtend rote Pickel auf der Stirn, ein Haar, dass das Auge durchquert, oder eine allzu starke Rötung der Haut. Zähne werden etwas weißer, Äderchen etwas unauffälliger. Kleine Unfälle beim Makeup werden behoben. Wobei ein sorgfältiges Makeup natürlich besser ist, aber den Shoot wiederholen wegen ein paar Mascarapartikeln an der falschen Stelle? Muss nicht sein. Generell retuschiere ich natürlich mehr, wenn das Gesicht groß im Bild ist. Dagegen spielt das Alter gar keine so große Rolle. Haut kann mit zwanzig schwierig sein und mit sechzig problemlos.
Wenn mich die Idee nicht mehr überzeugt, die ich beim Fotografieren wegen des Bildausschnitts hatte, ändere ich auch das. Lieber ist mir natürlich, das gleich richtig zu machen. Insbesondere weil das mit dem Wegschneiden ja recht gut funktioniert, etwas dazugeben aber doch recht schwierig ist, wenn es mehr als schwarze Flächen sein soll.
Schwarzweiß oder farbig? Ein harmonisch abgestimmtes Farbbild ist natürlich eine tolle Sache, aber nicht immer so ganz einfach. Zum Glück hat Schwarzweißfotografie einen guten Ruf und gibt dem Foto schnell einen künstlerischen Touch, also kann man der Farbtheorie aus dem Weg gehen, ohne dass deswegen schlecht über einen geredet wird. Bei den meisten Fotos ist allerdings eine der beiden Möglichkeiten eindeutig die Bessere. Mit zunehmender Übung sieht man das schon bevor man den Auslöser drückt. Andererseits ist es wirklich eine Sache von Sekunden, beide Varianten später auszuprobieren.
Fazit: Bildbearbeitung mache ich eigentlich immer, und in einem Umfang, wie ich sie für angebracht halte. Wunderbar, dass sie heute für jedermann zugänglich ist.

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